Kürzlich bin ich über Informationen zum Thema «Positive Erziehung» gestolpert. Neugierig habe ich mich in die Thematik vertieft.
Was ich dann erfuhr, hat mich doch sehr überrascht. Und ich fragte mich, für wen diese Art der Erziehung positiv sein soll: Für die Kinder oder die Eltern…
Verhalten ist kein Zufall
Folgende Aussagen waren ganz in meinem Sinn:
«Verhalten ist kein Zufall – Jedes Verhalten hat einen tieferen Grund»
«Bestrafung wirkt zwar kurzfristig – langfristig hat es jedoch negative Auswirkungen»
Nur wenige Momente später folgte der Ausdruck «Fehlverhalten der Kinder». Fehlverhalten? Klar empfinde ich das Verhalten meiner Kinder manchmal auch als «voll daneben». Dies ist jedoch MEINE
Empfindung. Ich habe dann die Wahl, sie dafür zu verurteilen und mich daran aufzureiben, oder ich kann versuchen, herauszufinden, was genau hinter ihrem Verhalten steckt. Welches ihrer
Bedürfnisse können sie nicht befriedigen? Warum müssen sie so stark reagieren, damit sie endlich gehört werden? Schliesslich hat jedes Verhalten einen tieferen Grund…
Steht der Ausdruck «Fehlverhalten» nicht im Widerspruch dazu?
Wenn ich mein Kind (oder auch ein erwachsenes Gegenüber) wertfrei wahrnehmen möchte, spreche ich von seinem «Verhalten», ohne es zu bewerten. «Fehlverhalten» deutet auf eine negative Bewertung
bzw. ein Urteil ebendieses Verhaltens hin. Bin ich wirklich interessiert am tieferen Grund oder den versteckten Bedürfnissen meines Gegenübers, wenn ich sein Verhalten bereits verurteilt habe?
Sind Konsequenzen besser als Strafen?
Danach wurde eine Formel zum «schreifreien Konsequenzen setzen» präsentiert, um diese sogenannten «Fehlverhalten» zu unterbinden:
1. Respektvolle Konsequenzen, mit direktem Bezug zum «Fehlverhalten» des Kindes, setzen.
2. Sinnvolle, dem Alter angepasste Dauer der Konsequenz.
3. Das Kind im Voraus über die Konsequenzen informieren.
4. Das Kind die Konsequenzen wiederholen lassen. Dies sei gleichbedeuten mit einer mündlichen Abmachung und das Kind könne sich im Nachhinein nicht beklagen.
5. Ab diesem Zeitpunkt entscheide das Kind selbst, ob es sich «korrekt verhalten» oder ob es die Konsequenzen in Kauf nehmen wolle.
Eine «Win-Win-Situation» sei dies, die beide Seiten stärke. Auf diese Weise könne das Kind nicht auf den Elternteil wütend sein, sondern nur auf sich selbst. Schliesslich habe der Elternteil dem
Kind nichts getan, sondern das Kind habe selbständig eine Entscheidung getroffen…
Hmmm… selbstständig eine Entscheidung getroffen? Konnte das Kind mitreden, als es um die Art der Konsequenz ging? Hatte es denn überhaupt eine echte Wahl? Hat sich der Elternteil die Zeit
genommen, um herauszufinden, was das Kind zu dieser Reaktion verleitet hat? Fühlen sich Konsequenzen besser an als Strafen? Wie fühlt sich wohl das Kind dabei?
Was verstehe ich unter «Positiver Erziehung»?
Positive Erziehung heisst für mich unter anderem, die Kinder einzubeziehen, sie ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Dies bedeutet für mich, die Gründe hinter ihrem Verhalten zu
erforschen und so auf ihre Bedürfnisse einzugehen, auch wenn mir ihr Verhalten absolut unerklärlich und auf den ersten Blick «komplett daneben» scheinen mag.
Ja, es ist anstrengend, immer wieder auf die Kinder einzugehen, ihnen Verständnis entgegenzubringen und mit ihnen zu verhandeln. Auf lange Sicht lohnt sich diese Zeitinvestition jedoch, da sie
erfahren, dass ihre Bedürfnisse und Wünsche ernst genommen werden und sie nicht in die Opposition gehen müssen, um gehört zu werden.
Ich finde es immer wieder erfrischend, mit meinen Kindern über solche Themen zu sprechen. Die Reaktion meiner Tochter: «Aber Mami, warum nennen sie es ‘Konsequenzen’ wenn es doch eigentlich
‘Strafen’ sind?»
Ich hoffe, dir auch heute wieder einige Fragen mitgegeben zu haben, die deine Gedanken anregen und dich weiterbringen.
Herzlich,
Carmen
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